Grußworte

Brief an alle Freunde und Bekannten im deutschsprachigen Raum: Galsan Tschinag und Sabine Gödecke wünschen alles Gute zum Jahreswechsel 2023/2024.

Galsan Tschinag und Galtaikhuu Galsan senden uns herzliche Fotogrüße zu Tsagaan Sar

Das diesjährige mongolische Mondneujahrsfest 2023 ist nach buddhistischer astrologischer Überlieferung das Jahr des schwarzen Wasserhasens. In der Mongolei ist es ein großes Familienfest: „Am Neujahrsfest zünden Familien Kerzen an Altaren an, welche die buddhistische Erleuchtung symbolisieren. Zudem begrüßen sich die Leute mit für Tsagaan Sar spezifische Begrüßungen, darunter Амар байна уу? (Amar baina uu?), was „Gibt es Frieden?“ bedeutet. Viele Mongolen besuchen an diesem Tag auch ihre Freunde und Familie und tauschen Geschenke aus. Eine typische mongolische Familie würde sich zum Beispiel im Haus des ältesten Familienangehörigen treffen.“ Quelle: Wikipedia

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Bildallegorie Neujahr 2021 Weißes Rind, gelbe Kuh

Mongolisches Mondneujahrsfest 2021

Die Mongolei begrüßt am 12.Februar 2021 das Neujahr nach dem Mondkalender und es heißt Zagaan Sar, übersetzt weisser Monat. Obwohl in Ulaanbaatar strenge Ausgagnssperre bis Ende Februar herscht, dürfen die Familien zu Hause im familiären Kreis das Fest feiern. Auf dem Land dagegen dürfen die Nomaden ganz normal feiern.

Nach der mongolischen Astrologie wird das Neujahr nach dem ersten Frühlingstag bzw. nach dem ersten Tag des Jahres erörtert. Danach wurde auch das Bild gemalt. Wenn man die Merkmale des „Weiss-Eisen Rindes“ genauer anschauen will, nimmt man Nachzeichnungen der „Gelben Kuh“ zur Hilfe, deshalb wird einmal vom „Weiss-Eisen Rind“ und einmal von der „Gelben Kuh“ gesprochen.

Der erste Tag des Frühlings wurde entsprechend der mongolischen Astrologie in ein symbolträchtiges Bild übersetzt.

Das Jahr des Rindes harmonisiert gut mit jungen Menschen und für Menschen im mittleren Alter. Für ältere Menschen und Kleinkinder dagegen sieht es beschwerlicher aus. Laut dem Bild wird die wirtschaftliche Lage des Staates (Mongolei) positiv sein, das Volk jedoch protestiert gegen die Regierung und ist unzufrieden. Aber die Gesundheit des Volkes ist sehr gut.

Der Anfang des Frühlings und Sommers ist sehr niederschlagsreich. Der Herbst wird lang werden und der Sommer bringt eine gute Ernte. Das Vieh wird gut gedeien.

Auf keinem Neujahrstisch fehlen darf das traditionelle Neujahrsgebäck, Ul Boov genannt (Sohlenkuchen- weil es die Form einer Schuhsohle hat). Das Gebäck wird kunstvoll auf dem Tisch aufgestellt in verschiedenen Schichten. Die Anzahl Schichten richtet sich nach dem Status der Familie, der Anzahl Kinder, Enkelkinder und Nachkommen und nach dem Alter des ältesten Mitglieds der Familie, also entweder 3,5, 7 oder 9 Lagen. Man sagt heute zum erlebten Leben eines Menschen – „so viele Socken“ hat er erlebt, frühe hiess es „so viele Schuhsohlen“ hat er erlebt, daher kommt die Form des Gebäcks und symbolisiert das erlebte Leben und die Erfahrungen. So wünscht man sich noch mehr Erfahrung.

Der Mensch hat fünf Arten von Körper in einem: Fleischkörper, Knochenkörper, Blutkörper, Luft- bzw. Geistkörper sowie Aussenfeuerkörper, auch Aura genannt. Auf dem von dieser Welt gegebenen Körper kommt noch dazu der Verstand und das Wesen aus der Hinterwelt. Somit ist der Mensch eine Schöpfung zweier Welten. Darum stellt man meistens den Gebäckturm mit 5 Gebäckstücken auf, um die 5 Körper zu symbolisieren. Also das Alter und der Körper ist auf einem Tisch.
In diesem Sinne wünschen wir allen unseren Freunden in Europa und in anderen Ecken der Welt Gesundheit in allen fünf Körpern und mögen wir uns bald wieder sehen.

Galsan Tschinag und Galtai Galsan, im Februar 2021

 

 

Vorweihnachtlicher Rundbrief aus der Mongolei von Galsan Tschinag Dezember 2020:

O Ihr Lieben Freunde jenseits der hässlichen Mauer, gezogen durch die knöcherne Hand des geheimnisumwitterten Unwesens CoronaVirus!

 

Der Elfte Tag vom Elften Monat des von außen so ausgeglichen aussehenden Jahres 20:20 war wohl für die Mongolei Ihr Elfter September oder auch Elfter März – dieses letztere Datum traf, glaube ich doch, Spanien, oder? Jedenfalls passierte da auch etwas fürchterlich Blutiges – so kommt mir vor.

Ja, an diesem Elften November /, an welchem wir Punkt Elf Uhr Elf Minuten in unserer lieben /nachträglich als so unfrei attestierten/ DDR doch mit dem Faschingsfest zu starten pflegten, startete das CoronaVirus mit seinem Schreckensterror: Ein LKW-Fahrer, der aus Russland Güter herüberbrachte, wurde als angesteckt erkannt und als diese Erkenntnis an die Öffentlichkeit drang, hatte er schon mit Hunderten von anderen Personen Berührung gehabt!

 

Diese Nachricht glich einer Bombe, die einschlug und Schreckenswellen bis an alle Ecken und Enden des Landes auslöste. Die Menschen, die ganze zehn Monate lang zwar auch mit Nachrichten über die Pandemie von vielen Kanälen aus bombardiert worden waren, dabei aber in dem schmeichelhaften Glauben gelebt haben, dass wir mit unserer guten Luft und ökologischen Küche resistent selbst gegen Pandemien wären, gerieten in Panik, wie alle selbstgekürten Helden.

Die, welche all die Tage, Wochen und Monate Heldenrollen gespielt hatten und jene, die so angenehme Rollen gewöhnt waren, wurden mit einem Mal klein und nachdenklich. Und stecken seitdem in strengstem Lockdown. Und fingen an, wieder auf Worte und Gesten der Machthaber zu hören. Dies, als wenn die alten Ängste in den Menschen wieder erwachten. Ja, das hat man einmal gekannt. Und selbst in denen, die jene Zeiten selber nicht gekannt haben, müssen die Ängste durch Erzählungen ihrer Nächsten nachgewirkt haben. Jedenfalls erwiesen sich die Mongolen als regierbarer als europäische Völker, die aus ihrem Menschenrecht nach eigenem Belieben verschiedene religiöse Sekten drehten und so sich schwer taten, indem sie in die Mörderschere der Pandemie pathetisch marschierten.

 

Oder war es der berühmt-berüchtigte Geist von dem DschingisKhan, der uns immer noch auf eine Linie zu stellen weiß, wie eine englische Zeitung, unsere Disziplin bewundernd, über die Lage hierzulande geschrieben haben soll? Wie auch immer, ich fand das, was hierzulande geschah, wesentlich besser als das Chaos, das in europäischen Ländern seit Monaten herrscht.

In den vergangenen drei Wochen gab es an die vierhundert Ansteckungsfälle. Und wenn ich die Herkünfte der Neuansteckungsfälle beobachte – vorgestern 17, gestern 11, heute 10, so kommen diese dabei alle aus Gruppen unter Quarantäne gesetzter Kontaktpersonen. Sodass man glauben dürfte, dass die Behörden es wieder in Griff hätten. Wenn es damit stimmte, wäre es einfach wunderbar. Und dann darf die Welt unsere dshingisisch-mongisische Disziplin ruhig weiter bewundern!

 

Der Winter scheint wieder einmal recht kalt ausfallen zu wollen. Relativ viel Schnee liegt schon. Komplizierter wird die Überwinterung dadurch, dass Tausende von Nomaden mit Abermillionen Stück von Tieren auf Suche nach Weidegras und Schutzbleiben unterwegs sind. Neulich habe ich im Radio Interviews mit solchen Wandersleuten mir angehört: Sie sprachen von gut 700 Kilometern, die sie noch zu gehen hätten, um an dem angepeilten Ziel anzukommen. Dabei dachte ich, dass sie, kaum am Ziel angekommen, die Heimreise schon wieder anzutreten haben, und da werden die Herden abgemagert und abgeschwächt sein, vor allem die Muttertiere mit ihren von Tag zu Tag anschwellenden und schwerer drückenden Leibesfrüchten!

 

Diese Plackerei deswegen, weil es im Land einfach zu viele Tiere gibt. In all den Jahren der Planwirtschaft verfügte die Mongolei im Durchschnitt über 27,5 Millionen Stück Tiere. Im letzten Herbst ergab die Tierzählung über 90 Millionen und es hieß, damit wäre die Kapazität der Futtermöglichkeiten um das 4,5fache übertroffen. Einfach unmöglich!
Daher wohl reden die Tierexperten davon, 20 Millionen gleich schlachten zu lassen, während in anderen Jahren zur Winterschlachtung nur 10 Millionen Stück freigegeben wurden.

 

Es ist unausweichlich, dass wir demnächst machen müssen, was die Innere Mongolei in China in den letzten Jahren auch tut: Die Stückzahl der Tiere verringern und gleichzeitig danach streben, ihre Produktivität zu erhöhen. Wobei der Grundcharakter der mongolischen Viehwirtschaft auch weiterhin unangetastet bleiben sollte: Weidewirtschaft mit freilaufenden Tieren. Und gerade das würde die einzigartige Qualität von Milch und Fleisch in der Mongolei weiterhin aufrechterhalten.


Letztes Wochenende hatte ich die Ehre, ein Webinar zu leiten. Zwei Dutzend Menschen kamen da aus zahlreichen Ecken von vier Ländern zusammen. Und das war meine allererste Veranstaltung in der Art. O davor war ich aufgeregt und habe mir merkwürdige Gedanken gemacht, wie noch nie im Leben. Und so habe ich zu Übungszwecken den virtuellen Raum, der irgendwo für die Veranstaltung errichtet worden sein soll, einige Male angeklickt. Und zu meinem Erstaunen habe ich dort gleich jemanden getroffen! Also müssen andere auch neugierig auf das Bevorstehende gewesen sein. Und wir kamen sofort zu einem sehr herzlichen Gespräch. Was mich ermutigte. Zu meiner Freude standen dort die Namen von den Personen. Ich war so ungeduldig auf eine jede von ihnen. Also wagte ich als Probe, einige der Namen auch anzuklicken. Und einige tauchten auch auf, ganz einfach, wie Wolken aus dem nichts! So bildete sich im Irgendwo – oder auch Nirgendwo – eine Familie. Ja, genau dieses wunderbar liebe, heilige Wort möchte ich für das Gebilde, das in jenem Niemandsland, aber ebenso auch Jedermanns-Wohn- und-Wirkraum sich zeigte und festigte, verwendet haben. An manchen Tagen waren wir zu viert, fünft, sechst, an anderen aber schon zu neunt, zehnt, elft. Und das Wunderbarste dabei war: Wir gewöhnten uns schnell und heftig aneinander. Sodass man es mit Gefühlen wie bei Liebe auf den ersten Blick vergleichen könnte. Also kam auf diese Art und Weise eine Familie zustande.

 

Und als der erwartete Tag anbrach und wir endlich zusammenkamen, da waren wir tatsächlich von einer allgemeinen Freude erfasst wie Mitglieder einer großen Familie. Und so fühlte ich mich jedenfalls von einer Feierlichkeit erfüllt wie bei einem Familientreffen. Was dann auch von den anderen mehrfach bestätigt wurde. Also war unser Webinar ein voller Erfolg, und die elektronische Post, die mich in den letzten drei, vier Tagen erreicht, scheint, auch nichts Anderes zu meinen. Worum ging es denn bei unserem Treffen? möchte ich nun resümiert haben. Die Ausgangssperre hat in allen Menschen eine große Sehnsucht nach anderen Artgenossen erweckt. Sowie ich mich nach der Nähe, den Stimmen, den vertrauten Gesichtern meines anderen Volkes, des Publikums, gesehnt habe, haben sich wohl viele nach meiner Gestalt, meiner Stimme und meinen Ratschläge gesehnt. Und wir wollten uns endlich wieder einmal aneinander gestärkt haben.


Und nach meiner Meinung zur Lage dieser Pandemie-Ära gefragt , überlegte ich recht lange und komme auf folgende Gedankenbündel: Zuallererst müsste auch ich all die Schäden, die die Pandemie weltweit angerichtet hat, wenigstens erwähnen. Nur, da werde ich wohl kaum auf etwas Nichtgesagtes kommen, weil dies seit vielen Monaten zu den Lieblingsthemen so vieler Redner geworden ist. Daher versuche ich, aus einer anderen Ecke darauf meinen Blick zu richten. Also, die Natur hat sich in der Zwischenzeit ein wenig erholen können, sodass ich so manches Mal geglaubt habe, die Erde wieder atmen zu hören und den Himmel wieder leuchten zu sehen. Ebenso müssten die Flüsse endlich wieder friedlicher geflossen sein und die Meere sanfter gewellt haben. Auch habe ich beobachten können, wie das Wild, so auch das Geflügel sich uns wieder näherten. Worüber ich mich gefreut habe. Dann auch dies: Nicht gerade Freude, aber vielleicht eine kleine Schadenfreude habe ich gefühlt wegen der miesen Lage bei den Großmächten, die ja über alles Mögliche und Unmögliche an Vernichtungswaffen und Foltergerätschaften verfügen – gerade alle diese Herrschsüchtigen und Hochnäsigen, die sich seit langem so allmächtig wähnten, haben mit einem Mal erkennen und klein zugeben müssen, dass sie zum nötigen Augenblick nicht einmal gegen ein so winziges Wesen, wie dieses Virus gewappnet sind und hier absolut ohnmächtig sind, ha! Und dass in den letzten Monaten gerade die Großmächte es am schwersten gehabt haben, das kam mir wie ein Geflüster aus der Ecke des Höchsten Richters vor, muss ich gestehen!
Als wenn die augenblickliche schwierige Zeit mir jedenfalls das Mittelalter mit seiner Pest-Erfahrung näher gebracht hätte. Sodass Boccaccio zu einem meiner heutigen Kollegen geworden und Decamerone eines meiner Hauptthemen gewesen wäre.

 

Und schließlich hat die Pandemie mir nicht nur die Vergangenheit näher gebracht und sie hat mich auch auf die kommende Zeit zugetrieben. Ja, sie zwang mich, dass ich zu solchen Möglichkeiten wie Online und über Skype meine Wege durch die Welt suchte. Mit einigen von Euch habe ich in den letzten Tagen geskypt und heute erlebe ich mit Euch allen in Online mein erstes Webinar sogar. Also habe ich mit Euch nicht nur Verlust erleiden müssen, sondern auch Gewinne buchen dürfen!

So etwa bestand ich meine Feuertaufe auf diesem neuen, neuesten Felde. Und freue mich nachträglich sehr darüber, dass mein Publikum, genauso wie ich, es auch genossen hat. Und nun gleiche ich einer offenen Tür. Wer es nur wolle, komme ab nun auf mich zugeeilt!

 

Nun stehet Euch allen die schöne Weihnachtszeit unmittelbar bevor. Unsere nomadische Kultur kennt Weihnachten nicht, dafür werden wir Anfang Februar unser Zagaan Ssar, das Mondneujahresfest, feiern. Also wünsche ich Euch allen ein schönes: besinnliches und stressfreies Weihnachtsfest! Und dann einen guten, gesunden Rutsch in das Neue Jahr, welches wir uns allen coronafrei und friedlich wünschen!

G.T.
Dichterling-Lichterding
und NochHäuptling-erstrecht-Däumling

 

 

Herbstbrief 2020 von Galsan Tschinag

Liebe Freunde, seid alle erst einmal über Eurasiens Fernen hin und den Regeln des Herrn Corona zum Trotz fest gedrückt und beschnuppert!

 

Der allmorgendliche Raureif gehört in vielen Teilen mongolischer Lande schon seit Tagen und Wochen zum Normalbild unseres Lebens. Und zwischendurch hat es sogar etliche Male auch geschneit. Es ist also längst tiefster Herbst in diesem immer noch riesigen Restreich mit dem streng interkontinentalen Klima wie seit Urzeiten. Zumindest kommt es mir so vor, wobei man wissen müsste, dass meine Erinnerungen reichliche sieben Jahrzehnte in sich einschließen. Die Frage ist natürlich, wie dick die Zeitflöze dahinter seien. In der ersten Hälfte dieser Zeitmasse hätte ich wohl, ohne zu stocken, gesagt: O ja, das ist viel Zeit! Aber von meinem heutigen Standpunkt aus betrachtet, werde ich schon zögern, ehe ich darauf antworte.

Erdgeschichtlich gesehen, gleicht sie natürlich der Lebensdauer von Eintagsfliegen, aber gemessen an der Lebenszeit eines Menschen doch schon viel, muss ich zugeben.

 

Dieser Herbst, der an mir webt und schabt, hat aber etwas, das ihn von allen anderen seiner Vorgänger schreiend deutlich unterscheidet: Es ist heuer alles, alles sehr nass – ganze Wochen lang hat es fast jeden Tag geregnet, und dabei hat die Nässe, die von oben kam, jener, die man bislang kannte, überhaupt nicht geglichen. Den Sprühregen, zu dem wir D’walar (Tuwa), Ak Dshaaschk’n sagen, – auf Kirgisisch Ak Dshaan, gedacht an die berühmte Erzählung von Tschingis Aitmatow,  diesen zahmen, leisen, linden, lieben Regen, unter welchem die ganze Luft sehr oft milchigweiß ausschaut, gibt es schon seit langem nicht mehr. Aber auch den anderen Regen, bestehend aus gröberen Tropfen und treffend Boden und Haut heftiger, mit dem man zuletzt gelebt hat, gab es diesen Sommer einfach nicht mehr; die letzten zwei, drei Monate hindurch hat es immer wieder gewittert mit Blitz, Donner und Wassersturz: geschüttet und gegossen, sodass der Boden nach nur wenigen Minuten unter Wasser stand, folglich es zu unzähligen kleinen und großen Hochwassern kam, welche die Wege und Straßen unpassierbar machten.  Also hat die Nässe, rettend vor jener gefürchteten chronischen Dürre, gleichzeitig aber verheerende Schäden angerichtet. Ja, der Himmel hat, wie seit Urzeiten eben, gegeben und genommen. Und vor diesem gruseligen Kraftspiel der Natur haben wir Menschen uns natürlich auch diesmal als völlig machtlos erwiesen.

 

Und dann, das wunde Thema, das mittlerweile Länder und Kontinente wieder einmal zu entzweien droht: das Coronavirus. Sosehr die Mongolei bis auf den heutigen Tag es einerseits auch geschafft, davon unberührt zu bleiben, sind jedoch die mittelbaren Schäden davon unermesslich. (Bis zu diesem Augenblick vermögen die Statistiken hinter den Namen unseres Landes 311 Fälle aufzuhängenwobei diese zu 100% vom Ausland hereingeschleppt worden sind.) Aber das Syndrom, eingetrieben in die Hirne der Bevölkerung, hat längst-längst eine total betäubende Wirkung. Ja, gerade da haben die Machthaber, die zu jeder Zeit die Angst aller Unterdrückten als ihre mächtigste Waffe zu gebrauchen gewusst, auch diesmal gewaltig davon profitiert: Haben die Parlamentswahlen abermals haushoch gewonnen und glühen und flammen jetzt um die Gemüter der verängstigten und verwirrten Volksmasse, um die Ergebnisse der Kommunalwahlen ebenso zu eigenem Nutzen zu beeinflussen.

 

Doch scheinen die Bedingungen in der Außenwelt mittlerweile für unsere Obrigkeit, nicht ganz so günstig auszusehen wie vor zwei Monaten. Denn die so ungeduldigen wie auch unfriedlichen Europäer sind wohl längst quarantänemüde geworden. Es gibt Protestdemonstrationen, die wohl von Woche zu Woche immer mehr Menschengruppen erfassen und diese zum Überdenken und Handeln zwingen. Und die Wellen jener Ausschreitungen sind bis in die Steppenmongolei herüber geschwappt. Sodass auch ich denke, nun, was denn, wenn so viele Menschen bereit sind, die Ansteckung in Kauf zu nehmen, dann, Himmel, warum auch nicht – die sollen doch von ihrer selbstgebastelten Abgöttin Freiheit eben freien Gebrauch machen und es auf eigene Rechnung riskieren – lieber in Bars und Kinos zu gehen und sich von Anderen gegen Bezahlung  amüsieren zu lassen als unter Quarantäne zuhause gebührenfrei zu hocken und, auf eine Nachricht zu warten, wann denn der letzte Herd für das Virus endlich ausgelöscht sein würde!

 

Dabei nun bin ich auf meine eigene kleine Erleuchtung gekommen: Vielleicht wird sich das Virus nie-nie-nie völlig austilgen lassen, und statt dessen werden weitere, ganz neue Viren auftauchen und anfangen, an unserem Leben und Sterben zu weben und zu stricken – und was dann?

 

Und schließlich bin ich von den Ausscheidungen der eigenen Grübelei zu dem Schluss gezwungen worden: Lernen, mit dem Corona zu leben! So wie die Menschheit seit Jahr und Tag mit solchen teuflischen Gefahren eben zu leben gelernt und ihre Existenz bis auf den heutigen Tag fortgesetzt hat, wie mit Krebs, Kernwaffen und Aids!

 

Wohl sind auch andere Menschen, so auch welche im Führungsstab unserer Staatsmafia zu dieser Einsicht gelangt: Vor einem oder zwei Tagen hat es mit einem Mal geheißen: Die Quarantäne dauert erst einmal nur bis zum 20. d. M. und dann, ab 21.9.2020 werden wir leben und arbeiten müssen/dürfen wie früher! Wobei aber die Staatsgrenzen weiterhin geschlossen bleiben werden! Also sollen/müssen wir in vielem zum alten Takt unseres gewohnten Alltagslebens zurückkehren. Womit für mich und meine Nächsten das große Fragezeichen also weiterhin bestehen bleibt: Wir dürfen weder selber ausreisen noch Gäste aus anderen Teilen der Welt empfangen.

 

Das ist nun der augenblickliche Stand für mich und Galtai , der erst vor drei Tagen vom Altai zurückgekommen ist. Seine sommerliche Mission dort ist erst einmal erfolgreich zu Ende gegangen. Er kam mit seinem Käse „Tuwa Yaki“, den er über den Sommer hat pressen können, im Vorderteil der Ladefläche seines Kleintransporters und im hinteren mit einem quicklebendigen, gelten und darum auch kugelig wirkenden, ausgewachsenen Rind. O diese Rückreise muss nicht ganz ohne, und dazu  auch hochabenteuerlich gewesen sein, nachdem er bei der Hinreise von der Mittelmongolei in den Hohen Altai Zuchttiere gebracht hatte: 2 junge Jakbullen, 31 Ziegenböcke und 10 Mutterziegen. Dazu müsste unbedingt erwähnt werden, dass wir vor drei Jahren eine 30-köpfige Herde von Eliteschafen aus dem Nordwesten des Landes zu uns in den Hohen Altai hinübergeholt haben. Und die Tiere haben sich inzwischen als soliden Kern einer künftigen, hochproduktiven Schafrasse erwiesen.

O wie haben wir uns über seine glückliche Rückkehr gewaltig gefreut! Ich stand – müsste eigentlich sagen: stund – da stumm, ein stolzer Vater! Und seine Frau und Kinder, diese freuten sich natürlich nicht weniger: Ein tüchtiger Familienvater, der sogar nicht vergessen hat, mit einem so gesunden Tier – noch mehr öko kann da kein Tierwesen sein! – an die Reserve als Winterfleisch zu denken!

 

Vorgestern haben wir uns nicht nur als Vater und Sohn, sondern auch als bisheriger und künftiger Häuptling unseres kleinen Volksstammes getroffen und eine lange, wichtige Unterhaltung miteinander geführt. Der Sohn ist prallvoll von Ideen und glüht, sie alle in die Tat umzusetzen. Ihm gegenüber sitzend und auf ihn schauend, dachte ich wehmütig-versonnen: So war ich wohl in meinen jüngeren Jahren auch, also habe ich einen tollen Nachfolger! Und bei der nächsten würdigen Gelegenheit werde ich ihm die ganze Bürde samt den wenigen materiellen Gegenständen in Gegenwart von einer großen Abordnung unseres Volkes übertragen und selber offiziell zurücktreten, um meine verbliebene Zeit auf Gottes Erde in Ruhe und nach eigenem Belieben zu verbringen. Die organisatorischen und finanziellen Seiten habe ich in den letzten Monaten auch geregelt.

 

Nun mein Wunsch so an mein eigenes Volk wie auch an Euch, Ihr lieben Freunde und Verbündete weltweit, wird sein: ihm mit Rat und Tat beizustehen, so wie auch ich die Unterstützung so vieler lieber Menschen in Ost und West all die Jahre meiner Anstrengungen um die Weitererhaltung der D’walar als ethnische Minderheit in dieser bilderbuchmäßig nationalistisch aufgeladenen Mongolei habe genießen dürfen. 

Mit berggroßem Dank und ozeantiefer Liebe an alle, jede, jeden:

der NochHäupting und erst recht Däumling

G.T.

 

 

 

Galsan Tschinag: Grußwort Frühjahr/Sommer 2020

„Liebe Freunde, Bekannte und Interessierte!

Das Zeitrad hat sich weiter gedreht, und Ihr verdient  es, wenigstens ein Lebenszeichen von mir aus der fernen Mongolei zu erhalten.

 

Zuerst dies: Sohn Galtai ist nach einer dreitägigen Fahrt mit 2 Yak-Bullen auf der Ladefläche, die  aus der Mittelmongolei stammen, im Hohen Altai angekommen .In einem  zweiten Auto folgten 41 Kaschmir-Ziegen aus dem Südwesten des Landes. Alle Tiere sind wertvolle Zuchttiere  für die Tuwa. Vor 2 Jahren haben wir 30 Schafe aus dem Nordwesten erstmals  zur Vermischung mit unseren Schafen zu unserer Sippe bringen lassen (finanziert vom Förderverein Mongolei e.V.) Das hat sich als eine sehr gute Ergänzung für unsere traditionelle Schafzucht erwiesen. Aus diesem Grund  werden wir das Zuchtprogramm auf  Hengste und Stuten demnächst ausweiten. So ist unser Plan für die nächsten Zeit.

 

Nach Beendigung der Baumpflanzung im Juni 2020 ist Galtai vorwiegend im Altai tätig. Er hat seine Käserei wieder aufgenommen und beaufsichtigt den Bau eines eigenen Camps in Oelgij für ankommende Touristen und als Begegnungsstätte.

 

Wie geht es mir?

Meine sonst so trockene Steppenwelt zeigt sich heuer klitschnass und schwimmt in Wasser und Schlamm. Mein Grundstück droht, mit seinen Bäumen, Gräsern und Blumen zu ersticken. Ja, wir haben einen so nassen Sommer, wie ich ihn noch nie erlebt habe. Es regnet nicht, es schüttet wie aus Kübeln, dazu Hagelschlag. Wir haben keine Beeren mehr, und die Bäume kaum noch  Blätter. Der dichte Vorhang, der uns sonst vor den Blicken der Straße schützte, ist nicht mehr. Die  Konsequenz: ich habe meine Regenmaschine abgeschaltet …

 

Und nun zu dem Thema Covid-19:

Da stellt die Mongolei wahrhaft eine paradiesische Insel dar. Obwohl zwischen  zwei Pandemie-Großzentren China und Russland gelegen, ist sie als Land bislang coronafrei geblieben. Die 301 Fälle, alles Eingeschleppte von den vielen  Mongolen , die aus dem Aausland herübergeholt wurden , sind inzwischen fast alle gesundet. Kein einziger Todesfall! Dies bei den Mongolen, die von vielen Menschen im Ausland bislang für berüchtigt unordentlich gehalten wurden, während woanders, wo so manche Kulturnationen in sich selbst verliebt sind, uns ein trauriges Bild anstarrt. Deutschland, mein Lieblings- und Traumland, das ich aus Ehrfurcht Germanien nenne, was aber geschieht daselbst in diesen Tagen? In den Augen meiner germanienorientierten Vernunft ereignen sich unglaublich unvernünftige  Dinge. Der unschöne Geist aus der Zeit, da das heutige Deutschland aus 300 Kleinstaaten bestanden hat, scheint sich wiederbelebt zu haben. Jedes Bundesland pocht auf eigene Gesetze, die sich aber von heute auf morgen ändern.

 

Was mich erschreckt, sind die vielen Verschwörungstheorien, die Uneinigkeit der Menschen, die Vergötterung des Individuums, die Covidiotie. Dass vor wenigen Tagen und auch gestern, am 30. August, ca. 30 000 Covididioten in Berlin ohne Masken und dicht bei dicht demonstriert haben, ist nach meinem Verständnis einfach unglaublich dumm und rücksichtslos.

 

Wie das Corona-Virus zustandegekommen ist, wird sich wohl nie eindeutig klären lassen. Menschenwerk oder Werk der Natur? Nun ist es eine unübersehbare Tatsache. Und sie hat alles durcheinandergequirlt, was unser Leben bis dahin ausgemacht hatte. Auch dann, wenn verschiedene Impfstoffe dagegen zur Verfügung stehen, wird es ein Bestandteil unseres Lebens bleiben. Denn gänzlich ausrotten lässt es sich wohl nie.

 

Dieses  Virus hat uns allen viel genommen, aber auch viel gegeben. Die Umwelt zum Beispiel erholt sich, und die Mongolen haben sich als superdisziplinierte Wesen erwiesen. In einer englischen Zeitung soll Folgendes zu lesen sein: „Das Mongolenvolk hat sich wieder einmal unter den Geist von Dshingis Khan gestellt“.  Wahr ist jedenfalls, wir sind hygienischer und disziplinierter geworden. Denn wir haben eine Sache sehr gut begriffen: Sollte die Epidemie nicht zum Stillstand kommen, könnte das leicht unser aller Ende bedeuten. Fernerhin hat die Pandemie den größenwahnsinnig Gewordenen gezeigt, dass ihre Kern- und sonstigen Waffen sich schnell als machtlos erweisen, und der Atem des Sensenmannes eher sie streift als die kleinen Randvölker der heutigen Welt.

 

Sosehr ich mein traumschönes Germanien und die Germanen auch vermisse, ich werde unter den heutigen Umständen  in meinem sicheren coronafreien Domizil am Rande der mongolischen Steppe vorerst bleiben. Alles andere wäre wohl in meinem Alter eine versteckte Art von Selbstmord …

Erhaltet Euch eine gute Portion gesunden Menschenverstand,  wovon wir alle genug in uns tragen und bleibt gesund!

Häuptling des D’wa-Stammes

Galsan Tschinag

 

PS. Ab Oktober : Es gibt die Möglichkeit, mit mir per Video zu kommunizieren und Fernberatungen zu erhalten. Auch über Skype bin ich erreichbar. In den Tagen der Abschottung rückte die Technik immer mehr in den Mittelpunkt.

Mehr:  www.galsan.info

Bitte einen Tag vorher anmelden  tschinag@galsan.info „

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